zitatenspur

Zitate und ihre Quellen


Nr. 56:
“Gemeinsam seid ihr stark.“  Süddeutsche Zeitung zum Strassburger Urteil, dass Klimaschutz ein Menschenrecht sei.

Q: Janisch, Wolfgang: Gemeinsam seid ihr stark. In: Süddeutsche Zeitung, 10. April 2024.

Nr. 55:
“Das Schreiben ist so ein bisserl eine legale Droge, man ist high, wenn es funktioniert, und dann wieder down, wenn nichts weitergeht.“  Josef Hader

Q: David Steinitz: “Jedes Mal sage ich: nie wieder“. Interview
mit Josef Hader. In: Süddeutsche Zeitung, 4. April 2024.

Nr. 54:
“Wenn ich schreiben könnte, würde ich mein Leben selber aufschreiben.“  Sunita*

Q: Bast, Andreas: Sunita und ich. In: NZZ-Folio Nr. 365, Januar 2024.

Nr. 53:
“Soldat, schiess nicht. Ich weiss, dass deine Hand zittert, wenn du schiesst. Wie viel Leben haben deine Medaillen gekostet? Sag mir, ob das recht ist. Wer gewinnt bei so viel Blutvergiessen?“  Victor Jara

Q: Scheben, Helmut: Die ungeheure Mobilisierungskraft der Lieder. InfoSperber, 30. 11. 23.
(www.infosperter.ch, 10. 12. 2023)

Nr. 52:
“Bevor ich sprechen darf, muss ich mich durch Schichten über Schichten von Vorurteilen und Desinformation arbeiten.“
Alena Jabarine

Q: Alena Jabarine: Ich möchte schreien, aber ich kann nicht. Süddeutsche Zeitung, 6. 12. 2023.
(www.sueddeutsche.de, 6. 12. 2023)

Nr. 51:
“Es ist so schwer hier. Es gibt keine Pausen zwischen den Stunden, es gibt keinen Sport. Ihr müsst den ganzen Tag lernen. Ihr habt nur 40 Minuten Mittagspause. Warum gefällt es euch trotzdem?“ Einer der Schüler antwortete: “Genau deswegen finden wir die Schule gut. Sie schärft unseren Verstand.“        Carol Dweck

Carol Dweck beschreibt eine Schule, in der Chicagoer Schüler unterrichtet werden, die von den herkömmlichen Schulen abgestempelt und ausgesondert worden waren.

Q: Dweck, Carol: Selbstbild. Wie unser Denken Erfolge
oder Niederlagen bewirkt. 2017, (6) 2023, S.227.

Nr. 50:
Mein Eindruck ist, dass die Psychotherapieausbildung und -praxis in den letzten 20 Jahren in Kliniken massiv an Bedeutung verloren hat.        Konrad Michel (Psychiater und Psychotherapeut, Autor von “The Suicidal Person - a New Look at a Human Phenomenon“)

Q: Jessica King: “Ein Suizid ist keine freie Entscheidung“. In: Tages Anzeiger, 23. 9. 2023

Nr. 49:
Mathe war damals ihr Hassfach, jetzt sitzt sie im Leistungskurs.        Julia Kopitzki

Q: Julia Kopitzki. Zweite Chance. Süddeutsche Zeitung Magazin, 15. 9. 2023

Nr. 48:
Es muss sich eine Kultur des Zuhörens entwickeln.       Andreas Heinz

Q: Juliane Liebert “Weniger Zwang, weniger Gewalt“ Interview mit
Andreas Heinz, Prof. für Psychiatrie. Süddeutsche Zeitung, 30. 8. 2023

Nr. 47:
Meiner Meinung nach ist Geld ein Problem für alle Dinge.       Stafford Beer

Nr. 46:
Seine Mutter habe sich mit jedem Therapeuten angelegt. Sie sollten nicht voreilig ein Urteil sprechen. Wir wissen nicht, was hier vererbt ist und was er noch lernen kann, wenn er noch viele Anregungen bekommt.       Sandra Pfister über Jason Arday

Jason Arday ist der jüngste schwarze Professor in Cambridge. Er ist 38 und lehrt Soziologie. Er lernte erst mit 11 Jahren sprechen und erst mit 18 lesen.

Q: Pfister, Priska: Jason Arday - vom Autisten zum jüngsten
schwarzen Professor in Cambridge. Deutschlandfunk 28. 7. 2023.
https://www.deutschlandfunk.de/audiothek?drsearch%3AsearchText=schwarzer%20professor&drsearch%3Astations=4f8db02a-35ae-4b78-9cd0-86b177726ec0 (Stand: 30. 7. 2023)

Nr. 45:
Niemand wusste etwas über Psychologie. Niemand wusste, dass reden hilft.       Julia Samuel

Q: Linnartz, Maren: “An meiner Mutter bin ich gescheitert“. Interview mit Julia Samuel
(Psychotherapeutin, Autorin von “Jede Familie hat eine Geschichte“). Tages-Anzeiger/SonntagsZeitung
https://www.tagesanzeiger.ch/an-meiner-mutter-bin-ich-gescheitert-331247804392, 15. Juli 2023.

Nr. 44:
Naturkatastrophen beweisen normalerweise zwei […] Dinge: die Solidarität der Masse – und wie sehr der Staat genau dieser Gruppensolidarität misstraut.       Stephen Reicher

Der vollständige Abschnitt lautet:
Frage: Sie lehnen das Bild vom Menschen als Tier ab, der ohne höhere Kontrollinstanz zur Bestie wird. Wieso kommt es dann aber bei Naturkatastrophen zu Plünderungen?
S.R.: Dass es dann zu vielen Plünderungen kommt, ist eine der grossen Fehlannahmen. Naturkatastrophen beweisen normalerweise zwei andere Dinge: die Solidarität der Masse – und wie sehr der Staat genau dieser Gruppensolidarität misstraut.

Q: Schilliger, Michael: Wann Proteste eskalieren. Interview mit Stephen Reicher. NZZ, 8. Juli 2023.

Nr. 43:
Da war jemand bereit gewesen, für dieses System zu arbeiten, es zu unterstützen, sich anzupassen und auf dem Rücken derjenigen, die daran zu Grunde gingen, sich auf den eigenen Vorteil zu besinnen. Wer sich nun also hektisch ans Revers griff, war doch nur ein weiteres Mal bereit, zu tun, was von ihm und ihr erwartet wurde und wandte sich folglich schnellstens und voller Entsetzen ab.        Anne Rabe

Q: Rabe, Anne: Die Möglichkeit von Glück. 2023, S. 179.

Nr. 42:
Die Germanistik war sehr beleidigt. Man wollte eigentlich von verbrannten Dichtern nichts wissen. Tatsächlich hiess es: "Warum 'verbrannte Dichter'? Es ist doch keiner verbrannt worden, nur die Bücher!“ Die konnten nicht einmal die Metapher verstehen.                   Jürgen Serie (über den Zeitgeist der 1970er-Jahre in Westdeutschland)

Q: Winkler, Willi: “Anwesenheit ist alles“ (Interview mit Jürgen Serke anlässlich der
Neuauflage seiner Dokumentation “Die verbrannten Dichter“. Süddeutsche Zeitung, 5. 5. 2023

Nr. 41:
“Als die Lichter erloschen und sich der Vorhang hob, war das für mich ein Erlebnis, wie ich es noch nie zuvor in meinem Leben gehabt hatte“, erinnerte er sich später. “Das war ein Gefühl, das mich im Innersten traf. Das Theater war ein Ort der Wahrheit. Ein Ort der Macht, der Worte und Bilder schuf, die Menschen verändern können.“ Das war es, was er machen wollte.                 A. Kreye über Harry Belafonte

Q: Kreye, Adrian: Die Stimme. Nachruf auf
Harry Belafonte (1. 3. 1927 - 25. 4. 2023).
Süddeutsche Zeitung, 26. 4. 2023

Nr. 40:
Diese noch heute beeindruckende Quellenkenntnis und Materialfülle trieb einen Zensor zu dem verzweifelten Satz, er beweise "seine Thesen - und das sei das Schlimme - mit einer Reihe von Dokumenten, von denen ich von ganzem Herzen gehofft hatte, sie wären verloren gegangen oder nie ans Licht gekommen“.       Werner Fuld (Fuld zitiert einen nicht namentlich genannten Zensor des Werks des Historikers Ferdinand Gregorovius)

Q: Fuld, Werner: Das Buch der verboteneren Bücher. Universalgeschichte des
Verfolgten und Verfemten von der Antike bis heute. Berlin 2012, S. 136.

Nr. 39:
Manche flüstern uns auch während des Loslösens zu: “Macht weiter.“     Aktivisten der 'Letzten Generation' über Polizisten

Q: Mayr, Anna; Ulrich, Bernd: “Wir müssen es doch zusammen hinkriegen“. ZEIT-Magazin Nr. 8, 16. 2. 2023, S.  24.

Nr. 38:
Ich baue nur noch auf die Deserteure.     André Gide

Q: zitiert in Andersch, Alfred: Die Kirschen der Freiheit. Motto. (1)1952, 2006

Nr. 37:
Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe engagierter Menschen die Welt verändern kann. Tatsächlich ist dies die einzige Art und Weise, in der die Welt jemals verändert wurde.     Margaret Mead

Q: zitiert in Johannes Kaup: Was uns in Krisen wachsen lässt. Radiokolleg Oe1, 29. 12. 22.
 (https://oe1.orf.at/programm/20221229#702757/Was-uns-in-Krisen-wachsen-laesst, 29. 12. 22)


Nr. 36:
Man stelle sich die letzten fünfzehn Jahrhunderte ohne Religionskriege vor, vielleicht sogar ohne religiöse oder rassistische Intoleranz. Man stelle sich eine nicht von der Religion behinderte Wissenschaft vor.     Julian Barnes

Q: Barnes, Julian: Elizabeth Finch. Köln 2022. S. 125.


Nr. 35:
Inwiefern ist eine innovative, ungewöhnliche und unangepasste Forschungstätigkeit, die an Tabus rüttelt, im herkömmlichen Hochschulstudium-Karriere-Betrieb nicht bis heute ein Fremdkörper?        Hannes Leidinger

Q: Leidinger, Hannes; Rapp, Christian; Mosser, Schuöcker, Birgit: Freud, Adler, Frankl. Wien 2022. S. 259.



Nr. 34:
Denken Sie, dass Sie mehr Fans als Gegner haben?
Ja. Hauptsächlich als Ketzer habe ich viele intensive Mitdenker.
                                         Janosch

Q: Bajorek, Angela: Wer fast nichts braucht, hat alles. Janosch. Die Biographie. Berlin 2016, S. 273.



Nr. 33:
Wir könnten viel weiter sein.          Martin Neukom

Aus einem Interview:
Frage: Überrascht Sie die jetztige Krise? Hat die Schweiz die Vorsorge vergessen?
Martin Nedkom: Wir wissen schon lange, dass wir stark von ausländischem Gas und Öl abhängig sind. Auch Technologien zum Umsteigen gibt es schon länger. Bereits in den 90er-Jahren hätte die Schweiz viel stärker auf Solar- und Windenergie setzen können. Das fordern gewisse Parteien, unter anderem meine, schon länger. Wir können viel weiter sein.
Q: Metzler, Beat; Stäube, Mario: “Wir könnten viel weiter sein“ (Interview mit dem grünen Zürcher Regierungsrat und Energiefachmann Martin Neukom). In: Tages-Anzeiger, 7. 7. 2022.



Nr. 32:
Mag sein, ich bin radikal. Ich glaube an Dinge, für die es sich zu kämpfen lohnt, Schwarz gegen Weiss. Schach eben. Aber genau deshalb, weil ich meine Schwächen kenne, strebe ich auch kein politisches Amt an.          Garri Kasparow

Q: Rest, Tanja: Garri Kasparow über Heimat. In: Süddeutsche Zeitung, 11. 6. 2022.



Nr. 31:
Als Studentin liest sie seine Bücher und beginnt ihre Eltern zu verstehen, “sie waren Sprachlose und Store hat stellvertretend für sie seine Stimme erhoben“. Gleichzeitig zeige sich, wie schwer sich Frankreich mit der Aufarbeitung seiner Geschichte tue.
              Nadia Henni-Moulaï

Moulaï schrieb ein Buch über die inneren Konflikte und im gesellschaftlich-politischen Kontext auf dem
Hintergrund des Algerischen Unabhängigkeitskampfes: “Un rêve, deux rives." - Ein Traum, zwei Ufer.
Q: Nadia Mantel: Ihr Vater, der Mörder. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 99, 30.4./1. 5 2022.



Nr. 30:
Der Kapitalismus wendet sich gezielt gegen den politischen Willen zum Zusammenhalt, zur Teilhabe, zur Solidarität.
              Lilian Thuram

Ausschnitt eines Interviews. Der Absatz lautet: "Ich bin nicht naiv - es wird nicht allein mit Aufklärung und Bildung gelingen, den Rassismus loszuwerden. Aber um irgendwann dieses ganze System besiegen zu können, muss man die ökonomischen Zusammenhänge verstehen. Der Kapitalismus wendet sich gezielt gegen den politischen Willen zum Zusammenhalt, zur Teilhabe, zur Solidarität. Das sieht man heute ganz gut, denn es gibt zahlreiche Länder, unter ihnen Frankreich, in denen es sozialistische Bewegungen faktisch nicht mehr gibt und in denen man stattdessen nur noch mit rechten und rechtsextremen Kräften zu tun hat."

Q: Hackbarth, Daniel; Meister, Franziska: "Ich habe ja nicht das Recht, wütend zu sein." Interview mit Lilian Thuram. In: WoZ Nr. 13, 31. 3. 2022 (https://www.woz.ch/2213/lilian-thuram/ich-habe-ja-nicht-das-recht-wuetend-zu-sein, 10.4.22)



Nr. 29:
[…] wir sind manchmal ein wenig frustriert über die negative öffentliche Sichtweise auf unsere Arbeit: Menschen können sich nämlich verändern, auch viele Straftäter.
              Steffen Lau (Leiter forensische Psychiatrie Rheinau)

Q: "In den meisten Fällen müssen wir sagen: Vor richtig gestört ist das nicht"
Die forensischen Psychiater Steffen Lau und Friederike Höfer erklären,
was Menschen zu Straftätern werden lässt. In: NZZ, 19. 3. 2022



Nr. 28:
Ganz wie in der mittelalterlichen Dorfgemeinschaft gibt es keine Satzung in Utopiaggia, von Anfang an nicht. Keinen Vertrag für die Genossenschaftsmitglieder, keine Hausordnung, nicht einmal Regeln dafür, wie oft man sich trifft und wie und wann Entscheidungen zu fällen sind. Es gilt das gesprochene Wort.
              Lars Reichardt

Q: Reichardt, Lars: Ein anderes Leben. In: Süddeutsche
Zeitung Magazin Nr. 9, 4. 3. 2022, S. 18ff.



Nr. 27:
Was, fragen sich viele Kongolesen, wäre gewesen, wenn Lumumba eine Chance bekommen hätte? Echte Unabhängigkeit? Wenn die Belgier, die USA, die Weissen im Kongo anerkannt hätten, dass Lumumba durch eine freie, demokratische Wahl ins Amt gekommen war?              Bernd Dörries

Q: Dörries, Bern: Im Namen des Vaters. In: Süddeutsche Zeitung, 17. 1. 2022.



Nr. 26:
Auch die Psychoanalyse ist von der "Krankheit", Häretiker verfolgen zu müssen, nicht ganz frei gewesen.              Alexander Mitscherlich

Q: Mitscherlich, Alexander: Ein Leben für die Psychoanalyse. Anmerkungen zu meiner Zeit. Frankfurt 1980,   S. 173



Nr. 25:
Die Erinnerung an sie wurde - teilweise - bewusst verdeckt.
                             Simon Täuscher über Agnes v. Ungarn

Simon Täuscher [Historiker] sagt: "Die Erinnerung an Königin Agnes von Ungarn [die 1317-1364 im Kloster Königsfelden residierte und eine der mächtigsten Frauen der Schweizer Geschichte war, P.B.] wurde - zumindest teilweise - bewusst verdeckt, weil Bern sich als Nachfolger der Dynastie der Habsburger, einer Reihe aus Männern, profilieren wollte."
Q: Arnet, Helene: Die Königin der Schweiz. In: Tages-Anzeiger, 28. 12. 2021



Nr. 24:
Das Netzwerk Recherche verlieh seinen Negativpreis Verschlossene Auster "für Auskunftsverweigerer in Politik und Wirtschaft" in diesem Jahr an die Hohenzollern für den "Umgang von Georg Friedrich Prinz von Preussen mit Journalisten und Wissenschaftlern."                                        Alex Rühle

Q: Rühle, Alex: Geschichte vor Gericht. In: Süddeutsche Zeitung, 10. 12. 2021



Nr. 23:
Wer Misstrauen, Spaltung, Ausgrenzung produziert, diffamiert nicht nur eine gegnerische Partei, sondern zerstört vor allem die Basis, die öffentliche Kommunikation benötigt, um komplexe Widersprüche aushandeln zu können.                                                        Bernd Stegemann

Q: Stegemann, Bernd: Die Öffentlichkeit und ihre Feinde. Stuttgart 2021, S. 118.



Nr. 22:
Wie lange kann eine Stimme durchhalten, wenn sie ohne Echo bleibt? Sie hatten ihr gesagt, die Liebe würde über alles siegen. Jetzt hatte sie die Erfahrung gemacht, dass sie über die Interesselosigkeit der Masse mit Sicherheit nicht siegen konnte.
                                                       Miha Mazzini

Q: Mazzini, Miha: Du existiert nicht. Bad Langensalza 2021, S. 273.



Nr. 21:
Wenn mich der Chefredakteur des Gazette Wyborcza anruft und sagt: "Unser Kollege Andrzej Poczobut sitzt in Weissrussland im Gefängnis, die polnische Regierung kümmert sich nicht, weil wir als oppositionell gelten. Könntest du vielleicht etwas unternehmen, weil deine Stimme bei diesen Dingen Gewicht hat?" Dann mach ich das.
                                                       Deniz Yücel (PEN-Präsident)

Q: Pollatschek, Nele : "Aber es war auch nur ein Jahr". Interview mit
Denis Yücel, PEN-Präsident. In: Süddeutsche Zeitung, 16. 11. 2021



Nr. 20:
"[…] Das ist schon schlimm, wenn man abstumpft, und man vergisst etwas von dem Schlechten, was sie uns angetan haben. Aber dass man das Beste vergisst, unter all dem Furchtbaren, das ist noch schlechter. Weisst du noch, wie wir alle zusammen waren? - Ich aber, ich habe nichts vergessen."                                                                     Anna Seghers

Lotte ist eine Frau, deren Mann Herbert verpfiffen und von braunen Kümmerlingen ermordet wurde. Sie gibt Franz, der sein Mitgefühl auszudrücken sucht, Einblick in ihr Innenleben. "[…] Du brauchst mich nicht zu ermahnen, Franz, und auch nicht zu trösten. Man kommt sich manchmal allein vor. Dann denkt man: ihr andern habt alles vergessen."
"Wer ihr?" - "Ihr! Ihr! Du auch, Franz. Hast du vielleicht nicht Herbert vergessen? Meinst du vielleicht, ich hab das deinem Gesicht nicht angesehen? Wenn du sogar den Herbert vergessen hast, wie viele hast du dann noch vergessen? Und wenn du schon vergisst. - Damit rechnen die -" Mit der Schulter deutet sie auf den Nachbartisch, der von SA besetzt war und ihrem Anhang. - "Sag nicht Nein, du hast viele Sachen vergessen. Das ist schon schlimm, wenn man abstumpft, und man vergisst etwas von dem Schlechten, was sie uns angetan haben. Aber dass man das Beste vergisst, unter all dem Furchtbaren, das ist noch schlechter. Weisst du noch, wie wir alle zusammen waren? - Ich aber, ich habe nichts vergessen."

Q: Seghers, Anna: Das siebte Kreuz. (1942) Berlin 2018, S. 416.



Nr. 19:
Wir streichen uns selbst die Hälfte weg, weil wir zu wissen glauben, andere würden es streichen. Wir sehen Gespenster. Wir benehmen uns wie dressierte Hofhunde, die letztlich nur ihre eigene Kette bewachen.
                                                                       Monika Maron

Q: Maron, Monika: Flugasche. 1981. Frankfurt am Main 1995, S. 74.



Nr. 18:
Gestern find ich an / sprechen zu lernen / Heute lerne ich schweigen / Morgen höre ich / zu lernen auf.                Erich Fried

Q: Fried, Erich: und Vietnam und. Berlin 1979, S. 65. "Anpassung"



Nr. 17:
Die Stadt [Haifa] eignet sich gut, um die politische Kunst des Vergessens - das heisst des gemeinsamen Erinnerns - sowohl des Holocausts als auch der Nakba zu erkunden.                Omri Boehm

Q: Boehm, Omri: Israel - eine Utopie. Berlin 2020, S. 222.



Nr. 16:
Die fehlende kulturelle Verantwortung zeigt sich genau darin, dass Urbanität hier nicht tatsächlich erschaffen, sondern vor allem simuliert werden soll.                      Philippe Koch zur Planungskrise

Q: Koch, Philippe: Die Stadtpolitik hat sich der Utopie hingegeben, man könne tatsächlich bessere, neue,
fertige Städte bauen. In: Wochenzeitung 26/2021, 1.7.21. https://www.woz.ch/2126/urbanismus/die-



Nr. 15:
Wir müssen schauen, dass wir nicht zu viel in den Medien sind [...] Wir wirken im Hintergrund.
                                          Andreas Hugi, PR-Spezialist

Q: Brühlmann, Kevin: Der Meinungsmacher. Tages-Anzeiger, 26. 2. 2021. - Portrait zu Andreas Hugi,
Mitinhaber der PR-Agentur "furrerhugi", deren Strategie wesentlich dazu beigetragen hat, die
Konzernverantwortungsinitiative mit einem äusserst knappen Resultat zu Fall zu bringen.
Nationale Abstimmung in der Schweiz vom 29. 11. 2020.



Nr. 14:
Wir werden die Arbeit fortsetzen und werden das geschriebene Wort und diejenigen verteidigen, die alles riskieren, um die Wahrheit zu sagen.                                          Salman Rushdie

Q: Föderal-Schmid, Alexandra: "Ein Brocken grünes Kryptonit". Süddeutsche Zeitung, 29. 6. 2021 -
Besprechung zu Rushdies Essaysammlung "Sprachen der Wahrheit - Texte 2003-2020. München 2021.
Das obige Zitat entstammt Rushdies Nachruf auf Harold Pinter.



Nr. 13:
Und sie wurden auch in diesen Internaten zum Schweigen gebracht.
                                          Manuel Menrath

Die Passage im Radiobeitrag über die Misshandlungen und Morde an indigenen Kinder in katholischen Internaten in Kanada lautet:
"Und sie wurden auch in diesen Internaten zum Schweigen gebracht. Und erst so in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts kam langsam Bewegung in diese Sache, indem indigene Würdenträger erstmals öffentlich über diesen Missbrauch, den sie erlitten hatten in den residential schools sprachen. Dann schlossen sich immer mehr Indigene an und eine richtige Welle trat los und so wurde das Schweigen endgültig dann gebrochen."

Q: Manuel Menrath in: Hulliger, Simone: Kanadas Ethnozid: "Töte die Indianer, rette die Menschen". Echo der Zeit. Radio SRF1, 26. 6. 2021. - https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/kanadas-ethnozid-toete-die-indianer-rette-die-menschen?partId... (Stand 29.6.21) - Siehe auch: Menrath, Manuel: Unter dem Nordlicht. Indianer aus Kanada erzählen von ihrem Land. Berlin 2020.



Nr. 12:
...während überall sonst der moderne Puritanismus seine dreifache Verfügung von Untersagung, Nicht-Existenz und Schweigen durchgesetzt hat.                                          Michel Foucault

Zitat aus einem längeren Abschnitt:
Allein auf diesen Inseln (Foucault bezeichnet Bordell und Klinik als Freiräume oder 'Inseln' innerhalb einer sonst rigiden bürgerlichen Gesellschaft), so heisst es, hat der wilde Sex noch ein Recht auf Realisierung und auf heimliche, eng umschriebene und codierte Typen von Diskursen, während überall sonst der moderne Puritanismus seine dreifache Verfügung von Untersagung, Nicht-Existenz und Schweigen durchgesetzt hat.
   Haben wir uns von diesen zwei langen Jahrhunderten, in denen die Geschichte der Sexualität in erster Linie als Chronik einer zunehmenden Unterdrückung gelesen werden muss, gelöst? So gut wie gar nicht, sagt man. Ein wenig vielleicht seit Freud. Doch mit welcher Behutsamkeit, welcher ärztlicher Umsicht, welcher wissenschaftlichen Harmlosigkeitsgarantie und welchem Aufwand an Vorsichtsmassregeln [...].
Q: Foucault, Michel: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit I. (1) 1976, Frankfurt 1983, S. 13.

Auch wenn Foucault in erster Linie die Unterdrückung im Zeichen der Verwaltungssprache und -technologie in der Folge des Aufklärungszeitalters im Blick hat, macht er an anderer Stelle doch deutlich, dass diese Werthaltungen auf das klassische Christentum zurückgehen. "Das Sexualitätsdispositiv hat ja mit der Technologie des 'Fleisches' im klassischen Christentum auf dem Boden der Allianzsysteme und ihrer Regeln das Licht der Welt erblickt; heute hingegen hält es das alte Allianzdispositiv am Leben." Ebd., S. 137.



Nr. 11:
Falls Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen.                                                    George Orwell

Q: Orwell, George: Animal Farm. (1) 1945. D: 1946, Nachwort



Nr. 10:
In der verklemmt-wortkargen Sprache des Präsidialamts der FU war von "Kommunikationslücken" die Rede.
                                                                            Götz Aly
Die Freie Universität in Berlin entsorgt unliebsame Grabungsfunde lieber statt sie zu erforschen.

Q: Aly, Götz: Knochenfunde auf dem FU-Gelände: Alle Spuren
weisen weisen nach Auschwitz. Berliner Zeitung,
6. 6. 2021 (https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/knochenfunde-auf-dem-fu-gelaende-alle-spuren-
weisen..., 15.6.21) 



Nr. 9:
"Denn selbst wenn wir das Glück haben, in einer Demokratie zu leben, sind die demokratischen Wahl- und Legislativprozesse durch Kampagnenfinanzierung und Lobbying bereits so stark verzerrt, dass die legitimen Interessen des eigentlichen Stimmvolkes kaum mehr wirklich vertreten werden."         Nils Melzer

Q: Melzer, Nils: Der Fall Julian Assange. Geschichte einer Verfolgung. München 2021, S. 44.



Nr. 8:
Stattdessen lernte ich, dass dieser mächtige Mechanismus […], der Hass schwächt und Feindschaften beendet, seit siebzig Jahren erklärt ist, dass er wissenschaftlich erforscht ist, dass es dieses Wissen aber nie wirklich aus der akademischen in die reale Welt geschafft hat […].       Bastian Berbner

Zitat aus einem längeren Abschnitt:
Also  zog ich los und sprach mit Wissenschaftlerin, mit Politologen, vor allem mit Sozialpsychologen, unter ihnen auch einer, der klug genug gewesen war, einen Nobelpreis in einem Feld zu gewinnen, das gar nicht sein eigenes war. Ich erwartete, dass sie sagen würden: Vergiss es, das kann nicht funktionieren. Ich dachte, sie würden mich auf etwas hinweisen, das ich in meinem Reporter-Enthusiasmus übersehen hatte. Aber das passierte nicht. Stattdessen lernte ich, dass dieser mächtige Mechanismus, auf den ich gestossen war, der Hass schwächt und Feindschaften beendet, seit siebzig Jahren erklärt ist, dass er wissenschaftlich erforscht ist, dass es dieses Wissen aber nie wirklich aus der akademischen in die reale Welt geschafft hat, zumindest nicht im grossen Stil. An den Orten, an denen er seine Kraft entfaltet hat, hat er das eher zufällig getan, leise. Als ich dann anfing nach Orten zu suchen, an denen dieser Mechanismus gezielt eingesetzt wurde, um Spaltungen zu überwinden, merkte ich: Auch die gibt es. Nur schaut kaum jemand hin.
Q: Berbner, Bastian: 180 Grad. Geschichten gegen den Hass. München 2019, S. 10f.



Nr. 7:
Ich denke, ich habe ein Gehör für das Stillschweigende, das Verschwiegene, das Zum-Schweigen-Gebrachte, die Tabus. Ich möchte meine Stimmen jenen leihen, die keine Stimmen haben in unserer Gesellschaft.  
Elif Shafak

Q: Elif Shafak im Interview mit René Scheu, NZZ 3. 6. 2021



Nr. 6:
Was einmal gedruckt ist, gehört der ganzen Welt auf ewige Zeiten. Niemand hat das Recht, es zu vertilgen. Wenn er es tut, beleidiget er die Welt unendlich mehr, als sie der Verfasser des vertilgten Buches, von welcher Art es auch immer sei, kann beleidiget haben.      Gotthold Ephraim Lessing, 1773
Q.:  Rossbach, Nikola: Freiheit in Atemnot. In: ZEIT Geschichte 2/2021,
Zensiert - Die Geschichte der Meinungsfreiheit, S. 17.



Nr. 5:
Er wird der am meisten ausgeschlachtete (und am wenigsten zitierte!) Psychologe.

Jan Foudraine über Alfred Adler


Das Zitat steht in einem längeren Abschnitt. Dieser lautet:
"Der Psychologe Carl Rogers verwendet später die Begriffe 'counceller' und 'client'. Adler spricht glücklicherweise nicht von medizinisch-pädagogischem Institut - eine meiner Meinung nach sehr irreführende Benennung -, sondern von 'Beratungsstelle'. Es ist in diesem Zusammenhang interessant zu beobachten, wieviel glatter Adler für seine Person das ganze Problem des Übergangs von einer medizinischen Ideologie zu einer Ideologie der Sozialwissenschaften gelöst hat. Offensichtlich viel weniger um den Verlust professionellen Prestiges besorgt, wendet er sich rascher von den Wiener medizinischen Kreisen ab und dafür an die Lehrer und Seelsorger. Wenn man Adlers Werk unter diesem Aspekt studiert, kann man sich dem Eindruck nicht verschliessen, dass er diesen Identitätswechsel viel schneller vollzogen hat und zum 'social scientist' geworden ist. Er wird der am meisten ausgeschlachtete (und am wenigsten zitierte!) Psychologe. Sein Beitrag zur Ich-Psychologie, seine Sicht auf das Individuum und dessen durch Milieueinflüsse bestimmtes Verhaltensrepertoire, dessen Lebensstil, der in der Beziehung zum anderen die Erfahrung ängstlicher Machtlosigkeit (Minderwertigkeitsgefühl) abwehrt, werden später mühelos von Karen Horney ('neurotic trends') und Sullivan ('selfsystem' und 'security operations') übernommen - beides Autoren mit einem ausgesprochenen Bedürfnis, sich von Anfang an auch als 'social scientists' zu definieren."
Q: Foudraine, Jan: Wer ist aus Holz? Neue Wege der Psychiatrie. (1) 1971. München 1974, S. 321.



Nr. 4:
[...] bei den Büchern gibt es wie bei den Menschen gute und schlechte Gesellschaft. Das gute Buch ist fast überall das verbotene Buch.

Claude Adrien Helvétius, 1785


Die Stelle stammt aus einem ausführlicheren Zitat:
"Der Mensch wird unwissend geboren: er kommt aber nicht dumm auf die Welt und wird es auch nicht ohne Anstrengung. Um es zu werden und so weit zu kom­men, dass er in sich auch noch den natürlichen Verstand er­stickt, sind Kunst und Methode nötig. Der Unterricht muss in uns Irrtümer über Irrtümer aufgehäuft haben; und durch vielfältige Lektüre müssen wir erst unsere Vorurteile verviel­fältigt haben.
Wenn bei zivilisierten Völkern die Dummheit der gewöhnliche Zustand der Men­schen ist, dann ist das die Frucht einer verderblichen Erziehung; weil man dort von falschen Gelehrten unter­richtet wird und törichte Bücher liest. Denn bei den Büchern gibt es wie bei den Menschen gute und schlechte Gesellschaft. Das gute Buch ist fast überall das verbotene Buch."
Q: Helvétius, Claude Adrien: Vom Menschen, seinen geistigen Fähigkeiten
und seiner Erziehung. (Hg. von Günther Mensching) Frankfurt 1972, S. 38f.
Original: De l'homme, de ses facultés et son éducation. 1785.



Nr. 3:
"[…] der Feuilletonredakteur des Berliner Tageblattes hatte an jeden bekannten deutschen Schriftsteller die Frage gerichtet, welche Frau ihm am meisten bei der Arbeit geholfen habe. - Die Zeit, da er mit Lisas unberechenbar grosser Hilfe 'Die Räuberbande' und 'Die Ursache' geschrieben hatte, die schwere, unvergesslich schöne glückliche Zeit mit Lisa zog an Michael vorüber. Er schrieb Lisa ein Denkmal und schloss mit dem Satz 'Lisa war Jüdin.' Einige Tage später las er seine Antwort in der Zeitung. Der Feuilletonredakteur hatte den letzten Satz 'Lisa war Jüdin' gestrichen." Leonhard Frank 1952.

Q: Frank, Leonhard: Links wo das Herz ist. (1)1952, München 1984, S. 120.



Nr. 2:
"Dieses Totschweigen und das daraus entstehende Halbwissen belastete uns, sowohl als Klasse wie auch persönlich enorm. Jeder hat auf seine Weise versucht damit umzugehen." - Eine Zürcher Schulklasse verlor 2009 ihren Lehrer in der Folge einer Behördenintrige.
Q: www.lesenstatthetzen.ch, 16. 6. 2014. (Website nicht mehr online, Stand 3. 5. 2021)

Das Zitat ist Teil eines längeren Textes. Etwas ausführlicher lautet die Passage:
"Manche von uns wussten mehr über die wahre Ursache, durften aber unter keinen Umständen etwas verraten, und andere ahnten gar nichts. Im Laufe der Zeit kristallisierten sich einige Fakten heraus und es wurde hinter vorgehaltener Hand darüber geredet.
Dieses Totschweigen und das daraus entstehende Halbwissen belastete uns, sowohl als Klasse wie auch persönlich enorm. Jeder hat auf seine Weise versucht damit umzugehen.
Erst nach 2 Jahren haben wir das Thema offen in der Klasse zur Sprache gebracht. Da keine Ansprechperson sich bereit erklärt hat mit uns den Fall zu thematisieren, haben wir dies selbst in die Hand genommen. Unter Bezug einer Schulpsychologin haben wir das Gespräch mit der betroffenen Mitschülerin gesucht. Ein Gespräch, das in Tränen und Wut, aber auch in Erleichterung geendet hat. Endlich konnten wir unsere angestauten Emotionen freien Lauf lassen. Wir haben damals gehofft, dies sei der Abschluss dieses Themas..." (ebd.)

Zur literarischen Verarbeitung der Groteske (haltlose Vorwürfe, juristische Farce, Stellenverlust) aus Sicht des betroffenen Lehrers siehe: Saladin, Daniel: Aktion S. Eine Hetzjagd nimmt ihren Lauf. Zürich 2014.



Nr. 1:
"Der Preis für mein Schweigen wäre meine Integrität gewesen - ein Preis, den zu bezahlen ich nicht bereit war."
Q: Melzer, Nils: Der Fall Julian Assange. Geschichte einer Verfolgung. München 2021. S. 115.